Zwischenbericht 1996,
KONSTRUKTION ENDLICHER STRUKTUREN

Im letzten Jahr wurden im Rahmen des Forschungsprojekts Konstruktion endlicher Strukturen interessante Resultate in den Themenkreisen Codierungstheorie, Isomerabzählung von Fullerenen, Kombinatorische Species-Theorie und Konstruktion von Bahnenrepräsentanten erzielt, die auch in mehreren Publikationen dokumentiert wurden.

  1. Codierungstheorie:

    Isometrieklassen linearer (n,k)-Codes über einem endlichen Körper gehörten bereits im Vorjahr zu den Forschungsschwerpunkten in diesem Projekt. Inzwischen kam [12] als Zusammenfassung eines Vortrags, den Herr Fripertinger im Jahr 1995 bei dem IX. Mathematikertreffen Zagreb-Graz hielt, heraus. Dieser Forschungsschwerpunkt steht in enger Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl II für Mathematik unter der Leitung von Prof. A. Kerber, der an einem Buch über Codierungstheorie arbeitet, bei dem Herr Fripertinger als Coautor beteiligt sein wird.

    In einem gesonderten Artikel [7] werden von Herrn Fripertinger die Details über die Berechnung der Zyklenzeiger linearer, affiner und projektiver Gruppen dargestellt. Dieser Artikel wurde vom Journal of Linear Algebra and Its Applications zur Publikation angenommen und wird derzeit gerade gedruckt.

    Allgemeiner wurden dann auch Isometrieklassen von [n,m] Block-Codes über einem endlichen Alphabet A untersucht. Diese lassen sich als SA wr Sn-Bahnen von k-Teilmengen von An auffassen. Mit diesem Ansatz ist es dann möglich, die Anzahlen von Isometrieklassen zu bestimmen und unter Verwendung von Konstruktionsmethoden (Berechnung von Sims-Ketten [21][22], orderly generation kombiniert mit Read's Rekursionsmethode [2][19], Lerneffekte [14]) Transversalen für bestimmte Parametersätze (A,n,m) zu erzeugen. Da die Anzahl dieser Isometrieklassen aber sehr rasch steigt und der Konstruktionsaufwand deshalb zu groß wird, ist es auch möglich mit Hilfe des Dixon-Wilf-Algorithmus [3] Repräsentanten über alle Isometrieklassen gleichverteilt, zufällig zu erzeugen. Im Fall A={0,1} entsprechen diese Isometrieklassen Klassen von Boolschen Funktionen bzw. Schaltfunktionen, die bereits von Slepian [23] und Harrison [15] untersucht wurden. Repräsentanten der Isometriklassen von Block-Codes können auch als Ausgangspunkt für die Konstruktion aller Repräsentanten von Post-Funktionen [16] verwendet werden. Diese Forschungsergebnisse konnten im Rahmen der Tagung Groups in Action '96, Thurnau, 20. bis 24. Oktober 1996 vorgeführt werden. Ein Artikel darüber [8] wurde zur Publikation eingereicht.

    Oben beschriebene Methoden zur Abzählung (und Konstruktion) von Isometrieklassen linearer Codes lassen sich in den Fällen q=2,3 unmittelbar für die Klassifikation binärer und ternärer Matroide verwenden [24][25]. Im Rahmen der Tagung Groups in Action '96 konnte persönlicher Kontakt zu Prof. M. Wild geknüpft werden, mit dem eine Zusammenarbeit bei der Klassifikation regulärer Matroide vereinbart wurde. Dazu müssen die konstruierten Matroide (bzw. Repräsentanten der Isometriklassen binärer linearer Codes) einem Regularitätstest unterzogen werden. Eine erste Version eines solchen Tests wurde bereits in SYMMETRICA verwirklicht, der bereits auf in Bayreuth erzeugte Listen [1] von Code-Repräsentanten angewendet wurde. Weiters wurde auch eine Version des Dixon-Wilf-Algorithmus entwickelt, die zur zufälligen, vorurteilsfreien Erzeugung von binären linearen Codes, die über alle Isometrieklassen gleichverteilt sind, verwendet werden kann.

  2. Isomere der Fullerene

    Der Artikel [11] erschien im im 33. Band der Zeitschrift MATCH, welcher den Fullerenen gewidmet ist. Mit den darin vorgestellten Methoden ist es den Chemikern möglich, auf theoretische Weise Obergrenzen für die Anzahl von Isomeren zu bestimmen.

    Unter Verwendung der Leapfrog Methode [5][4] konstruiert Fowler unendliche Folgen von Fullerenen Cn -> C3n -> C9n -> ... mit gleichen Symmetrieeigenschaften. Diese Methode kann auf beliebige Polyeder angewendet werden. In [6] wird eine Methode angegeben, die es erlaubt, aus den 3-dimensionalen Zyklenzeigern für die Aktionen der vollen Symmetriegruppe bzw. der Gruppe aller echten Rotationssymmetrien auf Ecken, Kanten und Flächen eines Polyeders P die entsprechenden 3-dimensionalen Zyklenzeiger für den Leapfrog L(P) zu bestimmen. Diese Arbeit wurde zur Publikation angenommen.

    Auf der 38. Tagung des Séminaire Lotharingien de Combinatoire in Bellagio hielt Herr Fripertinger einen Vortrag über diese Anwendungen in der Chemie der Fullerene.

  3. Anwendungen in der Musiktheorie

    Am 24. Mai 1996 war Herr Fripertinger eingeladen, an dem Institut für Mathematik der Universität Innsbruck einen Vortrag über Anwendungen der Methoden der Algebraischen Kombinatorik auf dem Gebiet der Musiktheorie [9] zu halten.

    Kürzlich nahm Prof. G. Mazzola wieder Kontakt mit Herrn Fripertinger auf. Er interessiert sich für gewisse Verallgemeinerungen von Konstruktionsverfahren für Motive [18] in Zn´Zm, die Herr Fripertinger in seiner Dissertation [10] für den Fall von Motiven in Z12´Z12 entwickelte. In diesem Zusammenhang wollen wir Orbitrepräsentanten von k-Teilmengen von Zn´Zm unter der Aktion der Gruppe aller affinen Abbildungen auf Zn´Zm konstruieren.

  4. Endofunktionen von gegebenem Zykeltyp

    In Zusammenarbeit mit P. Schöpf, einem Institutsmitglied, entstand der Artikel [13], der bei The Annales des Sciences Mathematiques du Quebec zur Publikation eingereicht wurde.

  5. Kombinatorische Species-Theorie

    Die kombinatorische Species-Theorie wurde von Joyal mit [17] begründet. Zu jeder Species gibt es drei formale Potenzreihen, die Zykelindexreihe, die Kardinalitätenreihe und die Typenreihe. Die erste enthält ähnliche Informationen wie ein Zyklenzeiger, die zweite ist eine exponentielle erzeugende Funktion für die Anzahlen einer Species, die dritte ist eine gewöhnliche erzeugende Funktion für die Anzahl aller Typen einer Species. Im Rahmen des Forschungsprojekts Konstruktion endlicher Strukturen wurden im Computeralgebrasystem SYMMETRICA oben erwähnte formale Potenzreihen für verschiedenste Species wie z.B. lineare Ordnungen, Permutationen, Endofunktionen, Wurzelbäume, Partitionen usw. implementiert. Mittels Verknüpfungen wie z.B. Summe, Produkt, Substitution, Ableitung, Punktierung usw. kann man aus gegebenen Species neue Formen von Species erzeugen. Diese Verknüpfungen wurden auf der Ebene der Potenzreihen ebenfalls programmiert. In SYMMETRICA gibt es einen Objekttyp Reihe, der ermöglicht, Anfangsstücke von Potenzreihen zu bestimmen, und das Bildungsgesetz dieser Reihen so zu verwalten, daß es jederzeit möglich ist, eine vorliegende Reihe zu erweitern.

  6. Implementierung kombinatorischer Algorithmen in SYMMETRICA

    SYMMETRICA ist ein Computeralgebrasystem, das die Gebiete Darstellungstheorie, Invariantentheorie und Kombinatorik symmetrischer Gruppen und verwandter Klassen von Gruppen abdeckt, welches am Lehrstuhl II für Mathematik der Universität Bayreuth entwickelt wird. Von Herrn Fripertinger wurde in den letzten Jahren ein Großteil der Routinen verfaßt, die zu dem weiten Gebiet der Pólya-Theorie gezählt werden können. So ist es jetzt möglich, Zyklenzeiger von Summen, Produkten, plethystischen Substitutionen oder der Exponentiation mit SYMMETRICA zu berechnen. Die Redfield'schen Operatoren [20] sind auf Zyklenzeiger anwendbar. Weiters gibt es aufwendige Routinen zur Berechnung der Zyklenzeiger für die natürlichen Operationen der linearen, affinen und projektiven Gruppen. Diese wurden zur Abzählung der Isometrieklassen linearer Codes verwendet. Wie bereits oben beschrieben, kann man die Zyklenzeiger verschiedenster Fullerene bestimmen und abzählende Species-Theorie betreiben. Es gibt Versionen zur zufälligen Erzeugung binärer, linearer Codes und Block Codes, die Anwendungen des Dixon-Wilf-Algorithmus darstellen. Weiters wurde eine erste Form eines Regularitätstests für binäre Matroide entwickelt.

Ein Großteil der oben beschriebenen Forschungsschwerpunkte ist auch in Hypertext dokumentiert, sodaß dem Leser oft zusätzlich noch ermöglicht wird, die angegebenen Formeln gleich auf konkrete Probleme anzuwenden. Herr Fripertinger schrieb dazu einige SYMMETRICA Programme, die von den entsprechenden Hypertext-Seiten aus aktiviert werden können. Diese WWW-Seiten findet man unter der Adresse:

http://bedvgm.kfunigraz.ac.at:8001/frib/index.html.

Die Verschiedenheit der hier in diesem Bericht dargestellten Probleme unterstreicht einmal mehr die allgemeine, universale Verwendungsfähigkeit der entwickelten Methoden zur Klassifikation und Konstruktion endlicher Strukturen unter einer gegebene Operation einer Gruppe. Das Projekt befindet sich derzeit in einem sehr interessanten und erfolgversprechenden Stadium, weshalb es mir nicht ganz verständlich ist, daß die beantragte Verlängerung dieses Projekts nur auf ein halbes Jahr beschränkt wurde. Der Projektleiter und auch verschiedene Kooperationspartner (insbesondere Prof. Kerber) sind von der Qualität der hier erbrachten Arbeit überzeugt.

  • References

  • harald.fripertinger@kfunigraz.ac.at,
    last changed: January 23, 2001