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Problemstellung und Stand der Forschung

  1. Sei G eine endliche Gruppe und sei X eine endliche Menge, dann ist eine endliche Gruppenaktion GX durch die folgende Abbildung gegeben.
    G´X -> X        (g,x) -> gx,
    mit g1(g2x)=(g1g2)x und 1x=x für alle g1,g2 ÎG und xÎX, wobei 1 das neutrale Element in G ist. So wie das Lemma von Burnside bei Gruppenaktionen GX jetzt formuliert ist, benötigt man den gesamten Untergruppenverband der operierenden Gruppe G, um die Mächtigkeiten der U-Strata [~ ] U\\\X:={G(x) | GxÎ[~U] } zu berechnen. Dabei und im folgenden wird folgende Notation verwendet, wobei vorausgestzt wird, daß xÎX, gÎG, und U eine Untergruppe von G ist:
    G(x):={gx | gÎG}     Gx:={gÎG | gx=x}
    [~U] :={gUg-1 | gÎG}
    Xg:={xÎX | gx=x}     XU:=ÇgÎU Xg
    (Lemma von Burnside)    [16] (3.1.4 Burnside's Lemma)    Sei GX eine endliche Gruppenaktion und seien [~U] 1,..., [~U] d die Konjugiertenklassen von Untergruppen von G mit Repräsentanten UiÎ [~U] i. Dann gilt wobei die Burnsidematrix  B(G):=(bik(G))1£i, k£ ddefiniert ist durch
    bik(G):=(| [~U] i| )/(| G/Ui| )åVÎ [~U] km(Ui,V)= (| [~U] k| )/(| G/Ui| )åVÎ[~U] im (V,Uk).
    (Dabei ist m die m-Funktion in der Inzidenzalgebra über den Untergruppenverband L(G):={U | U£G} von G.)
    Tatsächlich kommen nur gewisse Untergruppen U£G als Stabilisatoren von Elementen xÎX in Frage. Kann man eine Formulierung des Lemmas von Burnside finden, in der diese Tatsache berücksichtigt wird? G.-C. Rota und A. Smith haben in Ihrer Arbeit "Enumeration Under Group Action" (1977) [27] erste Versuche unternommen, nur mit solchen Untergruppen zu rechnen, die als Stabilisatoren auftreten können.
  2. Weiters sollen Konstruktionsverfahren von Orbitrepräsentanten in G(YX) genauer untersucht werden, wobei die operierende Gruppe G das direkte Produkt zweier Gruppen ist, von denen die eine von rechts, die andere von links auf YX, der Menge aller Abbildungen von X nach Y, operiert. In der Diktion der Dissertation von Herrn Fripertinger ist das die de Bruijn-Situation. Bisher wurden hauptsächlich Konstruktionsverfahren von Orbitrepräsentanten in G(YX) untersucht, wobei G nur auf der Menge X ( Pólya-Situation) oder G durch Konjugieren "simultan" von links und rechts operiert. In diesem Zusammenhang spielen Sims-Ketten eine entscheidende Rolle. Man definiert auf der Menge YX eine lineare Ordnung, und sucht in jedem Orbit den - bezüglich dieser Ordnung - kleinsten Vertreter. (Dieses Verfahren bezeichnet man als den Minimalitätstest für fÎYX.) Um auf vernünftige Weise Repräsentantenlisten erstellen zu können, versucht man diesen Minimalitätstest - durch geschickte Anordnung der Gruppenelemente und entsprechende Auswertung der Größenverhältnisse zwischen f und f o g - möglichst stark abzukürzen.
  3. Neben der vollständigen Auflistung von Orbit-Repräsentanten gibt es auch Verfahren zur zufälligen, über alle Orbiten gleichverteilten Repräsentantenkonstruktion. Bisher hatte Herr Fripertinger ein Programm zur zufälligen Erzeugung von Lyndon-Wörtern geschrieben. (Es läuft unter Verwendung von Routinen des Programmsystems SYMMETRICA auf einer Workstation.) Dieses Programm stellt eine Anwendung des Satzes von Laue, (siehe [19]) bzw. des Dixon-Wilf-Algorithmus zur zufälligen Konstruktion von Orbit-Repräsentanten zu gegebenem Stabilisatortyp (siehe [16] [5][7][6]) dar. In diesem Zusammenhang tritt die zyklische Gruppe als operierende Gruppe auf. Lyndon-Wörter kommen in verschiedensten Bereichen der Mathematik vor. So entsprechen ihnen z.B. die irreduziblen normierten Polynome über Galoisfeldern, oder sie treten als Basen in Lie-Algebren auf. Es wäre interessant, diesen Algorithmus auch bei Gruppenaktionen anderer Gruppen einzusetzen. Dabei werden Ergebnisse aus 1. gut anwendbar sein. Weiters kann man mit verschiedenen statistischen Methoden untersuchen, wann man aus jedem Orbit von vorgegebenem Typ einen Repräsentanten errechnet hat. Wieviele Objekte muß man durchschnittlich erzeugen, bis man aus jedem Orbit mindestens einen Vertreter aufgelistet hat? Mit dieser Methode steht dann ein generelles Verfahren zur Verfügung, um diskrete Strukturen zufällig, gleichverteilt, vorurteilsfrei zu erzeugen. Damit ist es möglich, große Beispielssätze sehr schnell zu generieren, und es besteht die Möglichkeit, Hypothesen über endliche Strukturen zu überprüfen (z.B. Trennfähigkeit von Invarianten oder andere Vermutungen).
  4. Auf dem Gebiet der mathematischen Musiktheorie hat Herr Fripertinger den Satz von Pólya und mit diesem verwandte Theoreme verwendet, um die Anzahlen "wesentlich verschiedener" Objekte wie Intervalle, Akkorde, Tonreihen, Motive, Tropen usw. in n-Tonmusik zun bestimmen. Siehe zum Beispiel [8]. Des weiteren ist eine Publikation mit Herrn Mazzola geplant. Im Rahmen seiner Dissertation hat Herr Fripertinger sich mit Anwendungen der unter 2. und 3. vorgestellten Konstruktionsmethoden zur Erstellung von Motivklassifikationslisten von Motiven in einem 12-Takt in 12-Tonmusik beschäftigt. Ein k-Motiv in einem n-Takt in m-Tonmusik ist eine k-elementige Teilmenge von Zn´Zm. (Zn sei die Menge der Restklassen Z/nZ.) Zwei k-Motive mögen äquivalent heißen, falls es eine affine Abbildung in Zn´Zm gibt, die ein Motiv auf das andere abbildet. Im Fall n=m=12 ergeben sich folgende Anzahlen von verschiedenen k-Motiv-Repräsentanten: (Es sind nur die Werte für 1£k£20 aufgelistet.)
    k Anzahl von k-Motiv-Repräsentanten
    11
    25
    3 26
    4216
    5 2024
    6 27806
    7 417209
    8 6345735
    9 90590713
    10 1190322956
    11 14303835837
    12 157430569051
    13 1592645620686
    14 14873235105552
    15 128762751824308
    16 1037532923086353
    17 7809413514931644
    18 55089365597956206
    19 365290003947963446
    20 2282919558918081919
    Herr Mazzola kannte bisher nur Repräsentantenlisten für 1£k£4. Siehe [20]. Im Rahmen seiner Dissertation hat Herr Fripertinger solche Listen für 1£k£8 erstellt. Nun sollen solche Listen auch für Takte mit 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10 und 16 Einsatzzeiten bestimmt werden, und die Stabilisatoren der Motivrepräsentanten berechnet werden. Für die Bestimmung der Anzahl verschiedener Repräsentanten von k-Motiven muß man den Zyklenzeiger (bzw. Zykelindex) der operierenden Gruppe bestimmen. Dies ist für Gruppen wie Gl(n,Zk) oder Aff(n,Zk) ein ziemlich umfangreiches Unterfangen, wie man es vielleicht am Zyklenzeiger von Aff(2,Z12) bereits erkennen kann:
    Z(Aff(2,Z12);x1,x2,...,x144)=
    =(1)/(663552)( x1144 + 18 x172 x236 + 36 x148 x248 + 24 x148 x332 + 72 x136 x254 + 48 x136 x2 18 x418 + 648 x124 x260 + 432 x124 x212 x316 x68 + 192 x118 x29 x427 + 9 x1 16 x264 + 72 x116 x216 x616 + 54 x116 x432 + 108 x116 x816 + 2592 x112 x266 + 1728 x112 x230 x418 + 1728 x112 x218 x38 x612 + 1152 x112 x26 x38 x46 x64 x124 + 128 x19 x345 + 384 x19 x39 x618 + 162 x18 x268 + 1296 x18 x220 x6 16 + 972 x18 x24 x432 + 1944 x18 x24 x816 + 6912 x16 x215 x427 + 4608 x16 x23 x34 x49 x62 x126 + 648 x14 x270 + 432 x14 x234 x418 + 5184 x14 x222 x616 + 3456 x14 x210 x46 x68 x124 + 3888 x14 x26 x432 + 7776 x14 x26 x816 + 2592 x14 x22 x434 + 5184 x14 x22 x42 x816 + 4608 x13 x23 x315 x615 + 13824 x13 x23 x33 x621 + 3072 x13 x347 + 9216 x13 x311 x618 + 1728 x12 x217 x427 + 13824 x12 x25 x49 x64 x126 + 10368 x12 x2 x435 + 20736 x12 x2 x43 x816 + 1152 x1 x24 x35 x620 + 3456 x1 x24 x3 x622 + 9216 x1 x2 x35 x621 + 27648 x1 x2 x3 x623 + 6912 x1 x35 x42 x1210 + 13824 x1 x35 x8 x245 + 20736 x1 x3 x4 2 x62 x1210 + 41472 x1 x3 x62 x8 x245 + 3174 x272 + 2208 x236 x418 + 6624 x224 x616 + 4608 x212 x46 x68 x124 + 3726 x28 x432 + 7452 x28 x816 + 2592 x24 x434 + 5184 x24 x42 x816 + 7224 x348 + 1008 x324 x612 + 9288 x316 x616 + 25536 x312 x618 + 2688 x312 x66 x126 + 1296 x38 x620 + 10752 x36 x63 x129 + 32832 x34 x622 + 3456 x34 x610 x126 + 13824 x32 x65 x129 + 38400 x436 + 36864 x412 x128 + 41472 x44 x816 + 8832 x624 + 6144 x612 x126 + 39936 x818 + 18432 x86 x244 + 49152 x1212 + 24576 x246 ). Im Fall von Gl(n,Z2) oder Aff(n,Z2) konnte man in [12] die Zyklenzeiger mit Hilfe von theoretischen Überlegungen wesentlich geschickter bestimmen. Es wäre nun zu untersuchen, wie weit sich diese Verfahren verallgemeinern lassen.
  5. Ein weiteres interessantes Forschungsgebiet sind Gruppenaktionen auf POSETs. (Das sind partiell geordnete endliche Mengen.) (Siehe W. Plesken: "Counting with groups and rings" i[21][16].) Nach Vorgabe einer Ordnungsrelation auf einer endlichen Menge und einer Gruppenaktion auf dieser Menge sollte ein Computerprogramm feststellen können, ob diese Ordnungsrelation mit der Gruppenaktion verträglich ist und in diesem Fall verschiedenste Daten (wie z.B. die Matrizen AÚ und AÙ) berechnen. Sei (L,Ù,Ú) ein Verband, GL eine endliche Gruppenaktion, die verträglich mit der Verbandsstruktur ist, und seien wiÎG\\L die G-Orbiten von L, dann kann man die Matrizen AÚ:=(aikÚ) und AÙ:=(aikÙ) definieren durch
    aikÙ:=|{x'Îwk | x£x'} | und aikÚ:= |{x'Îwk | x³x'} |,
    wobei xÎwi beliebig aber fest gewählt ist. Für die Gruppenaktion der Konjugiertenbildung auf dem Untergruppenverband einer endlichen Gruppe G gibt es interessante Zusammenhänge zwischen diesen Matrizen und der Markentafel M(G), die die inverse Matrix zur Burnsidematrix B(G) ist.
  6. Schließlich sollte die Literatur auf mögliche Anwendungen des Lemmas von Burnside bei Gruppenaktionen auf Funktionenmengen, das von Herrn Fripertinger in seiner Dissertation formuliert und bewiesen wurde, in den Naturwissenschaften genauer untersucht werden. (Lemma von Burnside)    Seien GX und GY zwei endliche Gruppenaktionen. Weiters seien [~U] 1, ...,[~U] d alle Konjugiertenklassen von Untergruppen von G mit Repräsentanten UiÎ[~U] i. Die Ui-Konjugiertenklassen der Untergruppen von Ui seien mit [~V] i,1,...,[~V] i,d(i)bezeichnet mit Repräsentanten Vi,jÎ[~V] i,j. Unter der Gruppenaktion
    G´YX -> YX        (g,f) -> g o f o g-1
    gilt für i=1,...,d
    | [~U] i\\\YX| =åj=1dbij(G)Õ k=1d(j)| YVj,k| | [~V] j,k\\\X| =
    = åj=1dbij (G)Õk=1d(j)( å l=1d(j)mkl(Uj)| [~V] j,l\\\Y| ) | [~V] j,k\\\X|,
    wobei (bij(G))1£i,j£d die Burnsidematrix von G ist, und (mkl(Uj))1£k,l£d(j) die Markentafel von Uj ist.
  7. Herr Kerber hat Herrn Fripertinger im Zusammenhang mit der algebraischen Kombinatorik auf die Theorie der " Interaction Models" von N. L. Biggs [1] hingewiesen. Es könnten sich einige interessante Ergebnisse in Verbindung mit seiner Dissertation ergeben.
  8. Weiters sollte die Redfieldsche Abzähltheorie [25] genauer untersucht werden. Vielleicht ist es möglich, so wie dies bei der Pólyaschen Abzähltheorie geschehen ist, auch diese Theorie durch Hinzunahme von darstellungstheoretischen Hilfsmitteln zu verallgemeinern. Obwohl diese Theorie bereits vor der Pólyaschen Abzähltheorie entwi"ckelt wurde, ist sie doch noch relativ unbekannt. A. Smith hat einen Artikel über eine Anwendung der Redfield-Theorie in der Chemie geschrieben. Die beiden von Redfield eingeführten Operatoren (cup- und cap-Operator) sollten in dem Programmsystem SYMMETRICA eingebaut werden.
  9. Darüber hinaus gibt es das Forschungsgebiet der sogenannten Postfunktionen, auf das Herr Kerber auch aufmerksam gemacht hat. Eine Postfunktion ist eine Abbildung f von Zmn nach Zm. Siehe [13][24]. Auf der Menge aller Postfunktionen untersucht man verschiedenste Gruppenoperationen, und versucht die Anzahlen der Orbiten von solchen Funktionen zu berechnen oder Repräsentantenlisten zu erstellen.
  10. Weiters sei auch auf die Species-Theorie hingewiesen. Die erste bedeutende Arbeit auf diesem Gebiet war [14]. In der Zwischenzeit wurde diese Theorie hauptsächlich in Canada weiterentwickelt. All die Ergebnisse dieser Theorie sollten als konstruktive Species-Theorie in einem Programmpaket wie z.B. SYMMETRICA implementiert werden. Dieses Vorhaben dürfte jedoch den zeitlich gesetzten Rahmen bei weitem sprengen. Bei der konstruktiven Species-Theorie geht es darum, neuen Datentyp "Species" zu implementieren. Damit soll es möglich sein, alle üblichen Beispiele von Species zu modellieren. Weiters müssen Verknüpfungen zwischen Species erklärt werden, sodaß man aus gegebenen Species weitere konstruieren kann. Für die Abzähltheorie der Species benötigt man dann Zykelindexreihen. Bei der Species-Theorie gibt es auch Verbindungen zur Analysis, so gibt es einige Beiträge über kombinatorische Differentialgleichungen ( G. Labelle: "On Combinatorial Differential Equations" [18]).
  11. Neben diesen Vorhaben wäre es auch von großem Interesse, eine Aufstellung aller Publikationen, das Gebiet der Pólya-Theorie betreffend, anzulegen.
Wie bereits bei der Darstellung der Problemstellung angedeutet, bestehen bereits internationale Kontakte zur Universität in Bayreuth und zur ETH Zürich. Diese Kontakte sollten in den folgenden Jahren weiter intensiviert werden. Herr Fripertinger war bereits mehrmals am Institut von Prof. Kerber in Bayreuth. So zum Beispiel zum Abschluß seiner Dissertation den gesamten Monat Oktober 1992. Herr Kerber war am Entstehen und an der Gestaltung dieser Arbeit von entscheidender Bedeutung. Er wurde auch in die Prüfungskommission anläßlich der Rigorosen von Herrn Fripertinger aufgenommen. In Bayreuth ist sein Institut heute ein wichtiges Forschungszentrum für die Darstellungstheorie endlicher Gruppen und die Algebraische Kombinatorik. Herr Mazzola ist ein bedeutender Vertreter der Mathematischen Musiktheorie. Sein Buch "Geometrie der Töne" [20] stellt einen guten Gesamtüberblick über den Stand der Forschung dar. Herr Fripertinger hat über Konstruktionsverfahren für Motivrepräsentanten in Zürich bereits einen Vortrag gehalten.
harald.fripertinger@kfunigraz.ac.at,
last changed: January 28, 2002

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